“Ein Buch für Philisophen” — Eine voluminöse Studie für alle Hegelianer, Hegelogen und sonstigen Hegelforscher (2021)

“Dummheit ist vielleicht doch besiegbar”

Unter dieser Überschrift erschien in der FAS vom 19.09.2021 eine Buchbesprechung zu

Robert B. Brandom: „Im Geiste des Vertrauens. Lektüre der ,Phänomenologie des Geistes’“. Aus dem Englischen von Sebastian Koth und Shoichet. Suhrkamp, 1196 Seiten, 56 Euro.

Darin kommt es zu einem witzigen Schreibfehler: “Philisophen” ist dort in einer Zwischenüberschrift zu lesen. Wunderbar — vielleicht eine treffende Bezeichnung für eine besondere Spezies von Philosophen, die ihr Leben der Hegelei widmen. Und wieder mal erinnert man sich an die unschlagabre Komik des “Freudian slip”.

Um Folgenden nur ein Auszug aus der Rezension, die den Kontext aufzeigt:

Abenteuer des Wissens: Der amerikanische Philosoph Robert B. Brandom hat vierzig Jahre lang an seinem Buch über Hegels „Phänomenologie des Geistes“ gesessen. Von Jürgen Kaube

Für wen ist dieser Wälzer geschrieben? Im Deutschen umfasst er mehr als eintausend Seiten, die sich mit Teilen eines Buches befassen, das seinerseits etwa fünfhundert Seiten hat, Hegels „Phänomenologie des Geistes“. Er ist also für Leser geschrieben, die viel Zeit und Geduld mitbringen. Der amerikanische Philosoph Robert B. Brandom soll vierzig Jahre lang an dem Buch gesessen haben.

Zu solchen Längen kommt es nicht durch Weitschweifigkeit. Hegels Werk gehört zu den sprachlich wie gedanklich schwierigsten der Denkgeschichte. Es handelt von der Möglichkeit zu prüfen, was erforderlich ist, um zu wirklichem Wissen zu kommen. Dazu betrachtet es eine Vielzahl historisch behaupteter Wissensansprüche. Wissen beruht, so wird beispielsweise gesagt, auf sinnlicher Gewissheit oder auf der Analyse von Kräften, dem Aufstellen von Gesetzen, auf Naturbeobachtung, Bildung oder Aufklärung. Was Brandom an Hegel fasziniert, ist dabei dessen These, letztlich habe Erkenntnis soziale Voraussetzungen in einer Welt, die sich normativ und zunehmend auf Lernen durch Irrtümer einlässt. Wer den Sternhimmel begreifen will, braucht in diesem Sinne nicht nur ein Aufzeichnungssystem, vielleicht eine Maschine, er braucht vor allem einen Begriff von „Stern“, und den kann er sich nicht allein machen. Begriffe sind nichts Psychologisches.

Ein Buch für Philisophen

Das alles ist bei Hegel in einer zumutungsreichen Sprache festgehalten. Manche Studenten werden philosophische Seminare erinnern, in denen die Lektüre Satz für Satz nach einem Semester nicht einmal die Einleitung des Buches hinter sich gebracht hat. Übersichtliche Zugriffe auf die „Abenteuergeschichte“ (Brandom) des erkennenden Selbstbewusstseins, die in der „Phänomenologie“ erzählt wird – etwa der schöne Überblick von Jean Hyppolite (1946) – , galten vielen als zu knapp. Einen abschnittsweise vorgehenden Kommentar aus einer Hand hat bislang nur der Leipziger Philosoph Pirmin Stekeler vorgelegt; er ist 2014 erschienen und umfasst, Hegels Text einschließend, mehr als zweitausend erhellende Seiten

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